Michael Ende beschreibt in seinem weltbekannten Kinder- und Jugendbuch Momo die Grauen Herren, welche die Zeit der Menschen stehlen und zu ihrem eigenen Überleben nutzen. Wer diese Geschichte kennt, ist oft gewillt,
diese grauen Herren heutzutage in Form von Mobiltelefonen, IPods, Spielekonsolen und anderer Unterhaltungselektronik zwischen uns zu verorten. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich während meines Studiums ganze Nächte durch vor dem PC sass und spielte, statt tagsüber in die Vorlesungen zu gehen.
Heute stehe ich wieder vor der Frage, was ein angemessener Umgang mit diesen Medien ist. Und was müssen wir lernen, um in Zukunft mit diesen Medien so umzugehen, dass sie uns unterstützen können und nicht wir von ihnen gefangen werden.
Vor ein paar Tagen sprach ich mit Freunden über den Umgang mit iPod und PC bei unseren Kindern. Gibt es bei den Mädchen andere Anfälligkeiten als bei den Jungen? Was ist denn die wirkliche Gefahr? Vor den technischen Möglichkeiten wissen wir alle um die scheinbare Datensicherheit unserer Daten, um die Herausforderungen der Big Data und Cloud Themen. Dennoch nutzen wir die Technik, um uns auszutauschen, zu kommunizieren, mitzuteilen…
Die Herausforderung besteht im richtigen Maße. Dabei geht es um das Zeitmaß. Dieser Sinn für das einhalten und aktive gestalten von Zeit macht die Aufgabe schwer. Schliesslich leben viele von uns in ihrem Alltag so sehr getaktet, dass sie gar nicht mehr eigenständig fähig sind, ihre Zeit zu gestalten. Selbst unseren Kindern zwängen wir dieses Zeitmaß auf, in dem wir sie mehrmals in der Woche zu Turnverein, Fußballtraining und Musikunterricht schicken.
Ein Kollege schilderte mit ein mal, dass er ein Projekt begleite, bei dem Schüler regelmäßig auf einem Bauernhof mitarbeiten. Nach ein paar Wochen stellt sich die Langeweile ein. Die Schüler kennen ihre Aufgaben und dann beginnen Lehrer und Bauern auf sie einzureden und Aufgaben zu erfinden, die nicht mehr für die Schüler attraktiv sind. „Das ist der Moment, bei dem ich eingreife und Lehrer und Bauern zurück halten muss. Denn genau in dieser Langeweile entsteht die eigentliche Verbindung zu mir selbst und zu den Aufgaben, die ich hier erledigen will.“
Gönnen wir uns hin und wieder eine lange Weile – dann entsteht in uns neben der Erkenntnis, was wir wirklich wollen, vielleicht auch ein Zeit-Sinn, der uns hilft, das richtige Maß zu finden im Umgang mit ablenkenden und überfordernden Techniken.
Ich jedenfalls habe mich sehr gefreut, als aus der Langeweile meiner Kinder beim Besuch bei Oma und Opa ein 1 1/2 tätiges Spiel im Wald entstand. Phantasievolle Plätze, Geschichten und Rollenspiel. Dabei konnten dann die Kinder die Zeit vergessen. Oder haben sie nicht eher Zeit dadurch geschaffen? Die Erinnerung an dieses Spiel dauert noch immer an. Sie ist Ausdruck einer Erfahrung, eines echten Erlebnis.
Lieber Olaf, du schreibst mir aus dem Herzen. Eine Waldaktion bleibt wirklich im Gedächtnis, das sehe ich an meinen Kindern. Vor allem das Gefühl was sie dabei hatten, können sie später abrufen. Langeweile ist der kreativste Moment im Leben und ich wünsche den Kindern heute: Eltern, die Mut zur Langeweile haben und Mut haben, dass Kinder nicht mit 4 Jahren Ballett, Chinesisch, Englisch oder sonstiges Lernen müssen. Spielen ist mindestens genauso wichtig und meine Kinder müßten „dumm“ sein, da sie kaum Kurse besucht haben sondern bis weit in die Schule gespiel und Lego gebaut haben. Jetzt sind sie erfolgreich. Es erforderte aber auch sehr meinen Mut offen zu sein und nicht mit dem Mainstream mitzugehen.
Zeit ist kostbar, wie bei Michael Ende. Auch die Frei-Zeit.