Im Rahmen des ADZ-Kongresses Orte und Horizonte – Bildung braucht Gesellschaft fand eine kleine, aber feine Workshopeinheit mit Lehrern, Schulleitern, Eltern, Schülern, Sozialpädagogen und anderen statt. Der Ablauf war von einer Arbeitsgruppe des regionalen Archiv der Zukunft Netzwerkes (ADZ-Netzwerk) gestaltet worden. Die Frage, die uns dabei geleitet hat: können wir beginnen in einer Öffentlichkeit und gegenseitigen Unkenntnis voneinander über Ängste zu sprechen? Kann es gelingen, Lösungen zu finden, ohne die Ängste zu verneinen?
Das Ergebnis ist überraschend positiv ausgefallen. Obwohl sich die Teilnehmenden weitestgehend nicht kannten, konnten sie in kleinen Gruppen Gespräche führen, die durch die Methodik des 8×8 inspiriert wurden. Ziel der einzelnen Gesprächeskreise war es:
- an nur einem, ganz konkreten Beispiel zu arbeiten
- den einzelnen Kollegen bei der Suche nach seinen persönlichen Lösungen zu unterstützen
- die konkrete Situation möglichst genau zu erfassen
- die eigenen Meinungen, Mitgefühle und Vor-Urteile aus dem Gespräch herasu zu halten.
Zur Vorbereitung dieser Gespräche benannten wir selbst unsere Ängste und baten dann die Teilnehmenden auf einem vorbereiteten Blatt zu notieren, wovor oder welche Angst sie haben.
Außerdem fragten wir danach, aus welcher Perspektive sich diese Angst ergibt: Als Lehrer, Schüler oder Elternteil, als Sozialpädagoge oder Erzieher oder auch als Schulbeauftragter, Aufsichtsperson oder Person des öffentlichen Dienstes.
Insgesamt kamen 40 Meldungen zurück, wobei durchaus auch Mehrfachnennungen in der Perspektive vorhanden waren (insgesamt 11). Betrachtet man nun die Anzahl der Nennungen aus den verschiedenen Perspektiven, ergibt sich zu den Ängsten folgendes Ranking:
Vater / Mutter | 33% |
LehrerIn | 20% |
ErzieherIn | 18% |
SozialpädIn | 15% |
SchülerIn | 10% |
Aufsichtsperson | 5% |
SUMME aller Ängste und Nennungen | 100% |
Wir müsen dazu sagen, dass der Anteil der Aufsichtspersonen und Schüler bei diesem Kongress nicht so hoch war – daher sind die Aussagen sicherlich nicht repräsentativ. Was jedoch auffällt, ist, dass trotz eines hohen Anteils von Teilnehmern als Lehrer oder Pädagogen in Kindergärten, die Hauptangst aus der Perspektive der Eltern gesprochen wird. einerseits kann man nun sagen, das wäre doch selbstverständlich, denn auch Lehrer sind Eltern. Andererseits stellt sich jedoch die Frage, wie können wir die Schüler ermutigen, wenn wir ständig Angst um sie haben?
Nimmt man die Ängste der Sozialpädagogeen und Erzieher zusammen, so sind sie genau so hoch, wie die der Eltern – liegt dies an der größeren Nähe zum Kindesalter in den täglichen Aufgabengebieten?
Ein weitere Phänomn zeigte sich bei der „Feedforward-Runde“: Die Teilnehmer, zu deren Ängsten miteinander gearbeitet wurde, sagten mehrfach, dass die Ängste nicht weg wären – aber sie wären anders geworden. So lassen sich vielleicht Ängste sortieren in Ängste, die ganz persönlich meine sind und mit den Schülern gar nichts zu tun haben, in Ängste, die wir uns gegenseitig entgegenbringen, oder welche, die aus dem System heraus auf uns wirken, bei denen wir keinen Verursacher kennen.
Aber auch kognitive, emotionale und physische Ängste wären Unterscheidungsmerkmale, um die eigene Angst in ihrer Veränderung zu beobachten. Auch Riemanns Grundformen der Angst kann man hierzu verwenden. Doch wozu üssten wir wissen, um welche Angst es sich bei meiner eigentlichen Angst handelt? Wozu müssten wir sie benennen und clustern können? Der Ablauf des Workshops hat gezeigt, dass jeder fähig war, die Veränderung der Ängste zu erkennen und damit Schritte in eine leichtere Zukunft zu entscheiden.
Wir haben diesen Workshop nicht gemacht, um eine Studie zu veranlassen oder die Teilnehmenden oder die Angsttypen genauer zu analysieren – das wäre in unseren Augen nicht hilfreich gewesen, um mit den Einzelnen in Columns die Zukunft zu schauen. Was wir erreichen konnten drückt sich in zwei Rückmeldungen aus, die ich hier exemplarisch schildern möchte:
Das ist der einzige Workshop auf diesem Kongress, aus dem ich als anderer Mensch herausgehe, als ich hineingegangen bin!
Mit dieser freudigen Aussage verabschiedete sich eine Teilnehmerin nach dem Workshop. Ich glaube, dass es nicht nur ihr, sondern auch einigen anderen so ergangen ist.
Ich fühle mich so kompetent!
Lautete ein Ausspruch einer Teilnehmerin unmittelbar nach der Abschlussrunde. Wenn Reinhard Kahl, der Gründer und Veranstalter des Archiv der Zukunft von der Kompetenz der pädagogischen Praxis spricht, dann ist dies die Bestätigung.
Und Götz Werner bestätigte in seinem Vortrag mit dem Thema „Zutrauen!“ die Notwendigkeit, Zutrauen zu schenken, damit Vertrauen entstehen kann.
In diesem Sinne machen Sie es gut, trauen sie sich und anderen mal etwas zu und vertrauen Sie auf das Zutrauen, welches andere ihnen schenken – sie werden es Ihnen danken!
Bei der Planung des workshops „tappten wir ja im Dunkeln“ ob der Teilnehmerzahl.
„Und wenn es nur drei Teilnehmer sind“ – wir waren entschlossen, das Thema „Angst“ aufzugreifen. Umso erfreulicher, als dann die Teilnehmer den Raum füllten, und wir den Kreis Stuhl für Stuhl erweiterten.
Ein Zitat aus dem Vorwort „Grundformen der Angst“ (Rieman) machte deutlich, dass Angst zu unserem Leben gehört, es eine Illusion ist, zu glauben, wir könnten uns davon lösen,schon gar nicht in einem zweistündigen Workshop. Es kann in diesem Workshop nur darum gehen, die Ängste wahrzunehmen, ihnen mit Achtsamkeit zu begegnen, wenn möglich im Austausch mit anderen, den Blickwinkel darauf zu weiten und dadurch eine neue Sichtweise zu gewinnen.
Erfreulich ganz besonders, dass die Teilnehmer spontan bereit waren, offen über ihre Ängste zu sprechen. So bildeten sich Kleingruppen, in denen die persönliche Angst bearbeitet wurde.
Eine Teilnehmerin kam bei der Gruppenbildung spontan auf mich zu und lud mich ein, Teilnehmerin ihrer Kleingruppe zu sein, was ich sehr gerne tat. Mein Angebot, ihr Thema in einem Rollenspiel (Psychodrama) zu betrachten, nahm sie sofort an. Das Ergebnis war verblüffend. Sie gewann eine neue Sichtweise auf ihren Konflikt (Angst vor Überforderung) und sah sich ermutigt und gestärkt, diesen in einem Gespräch mit der Schulleitung zu klären.
Barbara Bittner (AdZ-Regiogruppe München)