Vor ein paar Tagen erhielt ich über Facebook den Hinweis darauf, dass ein münchner Kino 500 Freikarten an Flüchtlinge und verbilligte Getränke ausgab. Außerdem äußerte sich der Facebookkontakt darüber, wie in den Komentaren dieses Angebot auch stark angegriffen wurde. Das machte mich neugierig und ich las selbst nach. Tatsächlich stellten sich überwiegend zwei Positionen heraus: Die einen, die es gut fanden, dass ein Unternehmen den Flüchtlingen entgegen kommt und ihnen Gastfreundschaft zeigt und die anderen, die darin eine Abwertung der eigenen Kultur und des eigenen Bürgerstatus erkannten, weil Flüchtlinge gegenüber den eigenen Bürgern bevorzugt würden.
Je länger ich die Schlagzeilen und Meldungenverfolgte, desto deutlich wird, dass sich diese beiden Positionen immer stärker durchzusetzen scheinen. Und so wachsen langsam Fronten, über die auch in den Nachrichten berichtet wird.
Das Problem:
Beide Seiten argumentieren ja schlüssig für sich selbst. Jemand, der gerne Hilfe gibt, freut sich darüber, wenn ein anderer es auch tut. Er empfindet sich selbst ja als jemanden, der geben kann.
Jemand, der selbst bedürftig ist, ärgert sich über die Vorzüge, die ein anderer bekommt.
Wie bekommen wir jedoch beide unter einen Hut?
Die Situation konkret:
Wir haben es ja mit drei Akteuren zu tun: einerseits mit dem Kino (es steht hier nur stellvertretend für ein Unternehmen, eine Gemeinde oder den Staat), andererseits mit Kunden des Unternehmens, wovon die eine Kundengruppe sich als Miteigentümer (oder auch Mitanbieter, da mit Steuergeldern finanziert) sieht. Die andere Gruppe sind eben jene „Anderen“, die als Asylbewerber das Kino besuchen dürfen oder sonstige Vorzüge genießen.
Falsch verstandene Verantwortung:
In der oben beschriebenen Situation meint jede Seite verantwortungsvoll mit der Situation umzugehen. Aus Sicht des Kinobetreibers kann man feststellen, dass er meint, den Asylbewerbern eine offene Willkommensgeste mit seinem Angebot zu zeigen. Er vermittelt vielleicht das Ziel der Integration oder zumindest der freundlichen Aufnahme.
Aus sicht des Kinogängers hiesiger nationalität entsteht vielleicht das Ziel der Gerechtigkeit für die eigenen Landsmänner – was übrigens nicht der Aufnahmefreundlichkeit des Kinobesitzers widersprechen muss. Er sieht sein Ziel in der Gleichberechtigung der eigenen Landsleute.
Währen der eine seine Verantwortung als Aufgabe für den Asylbewerber definiert, charakterisiert der andere seine Verantwortung als Aufgabe für den Mitbürger. Wir sprechen demnach über zwei verschiedene Verantwortungen.
Ein Lösungsvorschlag:
Wenn es um die Herausforderung geht, wie wir mit den Flüchtlingen aus anderen Ländern umgehen wollen und wir ein friedliches Miteinander anstreben, dann kann dies genau mit einem fast ähnlichen Angebot des Kinobetreibers stattfinden, indem er beiden gerecht wird:
Er könnte sagen: Für 500 Gäste, die jeweils einen Asylbewerber mitbringen, ist der Eintritt für beide zusammen nur 50% einer Einzelkarte. Dann haben beide Seiten die Möglichkeit, sich dieses Willkommenspaket abzuholen: Der Asylbewerber kann einen Bürger fragen und der Bürger einen Asylbewerber – nur gemeinsam bekommen sie den Rabatt.
Was ist damit anders?
Wir müssen bei einer solchen Aufgabe unbedingt den Abstand gewinnen, den es bei den heutigen Herausforderungen braucht. Wenn es gelingen soll, dass unsere Gesellschaft konstruktiv mit dem Flüchtlingsstrom umgeht, benötigt es Vertrauen in Beziehungen zu anderen Menschen und Kulturen. Es braucht Begegnung und nicht von vornherein Ausgrenzung in die Lager Asylbewerber oder Bürger. Es braucht den Mut, Angebote zu machen, die beiden Seiten nur gemeinsam einen Vorteil bieten. Dann können Menschen auf Menschen zugehen und so zu gemeinsamen Erfahrungen gelangen.
Man stelle sich nur mal vor, beim Abschluss eines Handyvertrages oder auch beim Kauf von Kleidung würden solche Angebote gemacht. Gerade Bürger aus wirtschaftlich schwächeren Verhältnissen könnten dann Hilfestellungen geben.
Mein wesentlicher Punkt in diesem Gedankenexperiment ist folgender: Wenn wir nachhaltige Hilfe schaffen wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass wir uns begegnen, vertrauen, miteinander erleben und leben. Wir müssen lernen, globale Auswirkungen in lokalen Konstellationen zu meistern. Daher sollten wir uns bei unseren Hilfsangeboten nicht nur auf Organisationen verlassen, sonder stets prüfen, ob die Angebote auch zu einer Verbindung zwischen den Menschen führt. Das hochgelobte Ehrenamt hält verständlicherweise nur so lange an, bis die eigenen Überschuss-Kräfte des Ehrenamtsträgers verbraucht sind. Spätestens dann wird er entweder nach einer Bezahlung rufen, oder aber seine Arbeit einstellen. Es zeigt sich aber, dass dort, wo sinnstiftende Beziehungen aufgebaut werden, nachhaltiges Zusammenleben deutlich leichter entstehen kann.
In diesem Sinne wünsche ich erfüllende Begegnungen – ob im Kino, im Cafe oder im Kontor. Haben Sie den Mut, zur Begegnung?