Als Dozent begleite ich die Münchner Marketing Akademie in der Entwicklung neuer Lernformate auch für den MBA Studiengang Management and Communications. In diesem Zusammenhang haben wir das Projektmanagementmodul überführt in die Organisation und Duchführung des viertägigen Auslandsmoduls. Die Reise nach Istanbul wurde generalstabsmässig geplant und dokumentiert. Dann kam – wenige Tage vor dem Abflug – die Terrorwarnung für die Grenzgebiete und die öffentlichen Plätze.
Als Koordinator und Dozent entstand nun ein Dilemma: Reisen trotz Warnung? Haftung von Seiten der MMA? Leistungsnachweis andersartig erbringen? Diese Fragen sind mit für und wider Argumenten abzuwägen und haben sehr unterschiedliche Qualitäten.
Bei der Leistungserbringung geht es um den Nachweis bestimmter Kenntnisse und Fähigkeiten. Bei der Haftung um rechtliche Fragestellungen.
Beim Fahren trotz Warnung geht es um die Frage, welche Verantwortung für den Mitmenschen kann und will ich übernehmen?
Das ErIch-Modell stellt in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, die Entscheidungssituation genauer zu beleuchten. Mit der Faustregel: „Ich KANN, WILL und SOLL ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN und KENNE KONSEQUENZEN“ ergeben sich in der ersten Betrachtung zu den einzelnen Feldern folgende Gedanken:
Die KONSEQUENZEN eines Anschlags während unseres Aufenthaltes sind in diesem Fall nicht vorherzusagen. Die Wahrscheinlichkeit aus meiner Situation heraus ist nicht abzuschätzen – und hilft auch nicht wirklich weiter, da auch bei einer geringen Wahrscheinlichkeit nicht auszzuschliessen ist, dass jemand getroffen wird.
Auch die Frage, was ich wirklich leisten KANN, ist nicht gut durchleuchtbar: zwar kann ich mit höheren Versicherungsprämien die finanziellen Belastungen reduzieren, das befreit mich aber nicht von den sozialen Konsequenzen.
Welche ENTSCHEIDUNG getroffen werden soll, ist die des Reisens oder des Daheimbleibens.
Die Frage des WOLLENS wird extrem in den Mittelpunkt geschoben. Die moralische Entscheidung ist eine Herzensentscheidung und damit eine Frage zur Loyalität zu den eigenen Werten und Träumen. Wer in seiner Entscheidungsfindung dann auf Sachargumente spekuliert, ist in der Regel schlecht beraten. Vorallem helfen die offensichtlichen Sachargumente nicht weiter.
Anders stellt sich die Situation dar, wenn man die sozialen Aspekte mit dem ErIch-Modell genauer betrachtet:
Was kann ich in der Beziehung zu den Studierenden Leisten? Ich kann meine eigene Unsicherheit und meine Träume darstellen, mein Bedauern und die Ernsthaftigkeit meiner Wertschätzung für das Geleistete.
Im SOLL-Feld entsteht die Frage nach der Beziehungsqualität, der Ebenbürtigkeit und der Kollegialität. Wir sitzen alle im gleichen Boot und wollen uns arrangieren.
Auf dem Konsequenzen-Feld erscheint die emotionale Nähe, die Anteilnahme und auf dem Entscheidungsfeld die Fragestellung, ob ich mich im beruflichen Kontext so öffnen will.
Die Fokussierung auf die Beziehungsecke des Magischen Dreiecks kann nur mit Hilfe einer MPA oder eines ähnlich qualitativen Werkzeuges „sachlich“ unterstützt werden. Führungskräfte tun daher gut daran, sich auch über die eigenen Antriebe bewusst zu werden. Eine MPA bietet dazu einen guten Zugang.
Ich habe diese Vorgehensweise nicht bereut. Alle Teilnehmer sind, nachdem ich mit ihnen persönlich gesprochen habe, mitgefahren und gesund wieder nach Hause gekommen. Die Freude und die Übernahme von Selbstverantwortung, gaben der Exkursion eine besondere, emotionale Note. Eines ist daraus sicherlich mehr gewachsen, als wenn alles ohne Gefahren gelaufen wäre: Vertrauen in die eigenen Entscheidungen. Und was kann es wichtigeres geben, als den Studierenden dieses Vertrauen zu ermögichen?